Erbverzicht

Nach türkischem Recht kann zwischen dem Erblasser und dem zukünftigen Erben ein Erbverzichtsvertrag vereinbart werden. Diese Vereinbarung bewirkt, dass der potentielle Erbe später kein Erbrecht geltend machen kann. Mit dem  Erbverzichtsvertrag kann der zukünftige Erblasser, gesetzliche Erben, denen ein Pflichtteil zusteht, wirksam aus der Erbfolge ausschliessen.

Beispiel:

Vater und Sohn unterzeichnen einen Erbverzichtsvertrag. Damit verliert der Sohn seine Erbansprüche, er wird später beim Erbfall nicht Erbe. Dabei kann er auch nicht geltend machen, dass er bei Unterzeichnung keine Gegenleistung erhalten hat.

1. Die Gegenleistung spielt eine Rolle, bei der Frage, ob die Kinder des Sohns Erben werden.

Wenn der Sohn eine Gegenleistung erhalten hat und nichts anderes vereinbart ist scheiden auch die Enkelkinder als Erben aus. In diesem Fall wirkt der Erbverzicht des Vaters zum Nachteil seiner Kinder.

2. Im § 529 des Türkischen Zivilgesetzbuch (Türk medeni kanunu) sind Fälle geregelt, die den Erbverzicht im Nachhinein unwirksam machen:

a. Wenn der Erbverzicht zugunsten einer Person vereinbart wird und diese Person später als Erbe ausscheidet, dann ist der Erbverzicht unwirksam.

b. Ist der Erbverzicht nicht explizit zu Gunsten einer Person erfolgt, dann wirkt er zu Gunsten der anderen gleichrangigen Erben. Wenn es keine gleichrangigen Erben gibt soll der Erbverzicht ebenfalls unwirksam sein.

3. Mit dem Erbverzicht kann der Erblasser über die Verteilung seines Vermögens freier entscheiden. Mit der Übertragung von Vermögensgegenständen zu Lebzeiten, z. B. an ein bestimmtes Kind, bezweckt man oft ein zukünftiges Erbrecht schon früher „auszuzahlen“. Das gesetzliche Erbrecht berücksichtigt solche Verfügungen nicht von sich aus automatisch. Dies führt dazu, dass die Kinder, die schon viel erhalten haben im Todesfall gleichberechtigt neben den anderen erben, obwohl sie eigentlich schon „ausbezahlt“ sind oder weniger bekommen müssten.

Der Erbverzicht ist das einzige Instrument, um solche „Schieflagen“ zurecht zu rücken. Zum Beispiel kann ein zukünftiger Erbe nicht einseitig auf sein Anwartschaftsrecht verzichten. Der Erblasser kann mit einem Erbverzichtsvertrag sein Vermögen freier verteilen. Der zukünftige Erbe verzichtet auf ein noch nicht entstandenes Recht. Dies hat für ihn auch Vorteile: Er bekommt jetzt schon einen Teil des Kuchens, dessen Bestand im Todesfall keineswegs bekannt ist. Dies ist Verhandlungssache: Vater und Sohn müssen sich einigen, beide der Vereinbarung zustimmen.

4. Es ist auch möglich den Erbverzicht über einen Teil des zukünftigen Erbrechts (Anwartschaftsrecht) zu vereinbaren. Dann verliert der zukünftige Erbe nicht seine Erbenstellung. Sein Recht ist dann gemäß der Vereinbarung zu kürzen.

5. Der Erbverzicht kann im Erbfall komplizierte Ausgleichsansprüche zur Folge haben. Dies ist im Einzelfall zu prüfen.

6. Der Erbverzichtsvertrag muss notariell beurkundet werden.